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Body-Mass-Index

Immer noch das richtige Mass?


Hier soll nicht der Schlankheitswahn gefördert werden – leider orientiert sich unsere heutige Vorstellung von einer «Idealfigur» an dürren Gestalten, die weit unter dem Normalgewicht liegen. Und nicht jeder, der ein paar Pfund mehr auf die Waage bringt, ist nach medizinischen Massstäben übergewichtig.

Aber hohes Übergewicht, wir wissen es ja alle, macht auch gesundheitliche Probleme. Diabetes, Arteriosklerose, Bluthochdruck, Schlaganfall und Herzinfarkt, Gallenblasen- und Gelenkerkrankungen, sogar Dickdarm-, Prostata- und Brustkrebs nach der Menopause gelten als Folgekrankheiten von Übergewicht und Fettsucht (Adipositas).

Und die nehmen zu: Das Schweizer BAG spricht von einem «alarmierenden Anstieg» und einem «ernsthaften Problem», in Deutschland riefen der damalige Ernährungsminister Seehofer und Gesundheitsministerin Schmidt (übrigens beide übergewichtig) gar den «Nationalen Aktionsplan Ernährung und Bewegung» aus.

Das deutsche Bundesgesundheitsministerium schätzt die Kosten für Adipositas und ihre Folgeerkrankungen aktuell auf über 5 Milliarden Euro jährlich (!), in der Schweiz wurden diese Folgekosten bereits 2001 auf 3 Millionen Franken im Jahr veranschlagt – Tendenz steigend.

Und … wie viel?

Früher war es einfach. Da rechnete man nach der so genannten Broca-Formel: Körpergrösse in Zentimetern minus 100 = Normalgewicht. Eine Frau von 160 Zentimetern Körpergrösse durfte also bis zu 60 Kilogramm wiegen. Zog man davon noch einmal 10 Prozent ab, ergab sich das «Idealgewicht». Unsere Beispielfrau sollte demnach um die 54 Kilo auf die Waage bringen.

Diese Formel gilt als veraltet, wobei der Body Mass Index (BMI), der heute verwendet wird, nicht jünger ist. Der BMI ist eine im 19. Jahrhundert entwickelte Masszahl und errechnet sich aus dem Gewicht in Kilogramm, geteilt durch die Körpergrösse in Metern zum Quadrat.*

Der BMI hat Schwächen

 … und zwar gleich mehrere. Er gilt nur für Erwachsene. Er berücksichtigt weder Geschlecht, Alter noch unterschiedliche Körperbautypen. Zudem wird nicht zwischen Muskeln und Fettgewebe unterschieden – so werden athletisch gebaute oder trainierte Menschen schnell als übergewichtig eingestuft, da sie ein hohes Gewicht an Muskelmasse mitbringen, ohne ein Gramm Fett zu viel zu haben.

Ist der BMI deshalb völlig untauglich? Nein. Moderne BMI-Berechnungen berücksichtigen Geschlecht und auch Alter, da Studien ergeben haben, dass Menschen ab 35 Jahren von etwas höheren BMI-Werten durchaus profitieren: Sie können eine höhere Lebenserwartung haben als ganz schlanke Personen.

Der BMI gibt einen Bereich an, innerhalb dessen sich auch unterschiedliche Staturen wiederfinden können: So dürfen Sie sich als fünfzigjährige Frau von 1,60 Metern Grösse mit einem Gewicht zwischen etwa 50 und 60 Kilogramm als normalgewichtig betrachten. Der optimale BMI für die Altersgruppe um fünfzig liegt zwischen 22 und 27. Mit 60 Kilo haben Sie einen BMI-Wert von 23,4, aber auch mit einem leichten Übergewicht von 65 Kilo liegen Sie mit einem Quotienten von 25,4 noch gut im normalen Bereich.

Das Beispiel zeigt aber auch, dass der BMI als Mass für ein optimales Gewicht vor allem in den oberen Bereichen an Grenzen stösst: Mit einem BMI von 27 wiegt die 1,60-Meter-Frau bereits 69 Kilogramm. Das dürfte, unabhängig vom Körperbautyp, doch etwas üppig sein. Und bringt ein vierzigjähriger Mann von 1,78 Metern 100 Kilo auf die Waage, braucht niemand mehr einen BMI-Rechner, um festzustellen, dass der gute Mann Übergewicht hat.

Wer zu dick ist, stirbt früher

Ob Übergewicht mit erhöhter Sterblichkeit einhergeht, war bislang umstritten. 2008 aber lieferte eine grosse Langzeitstudie** mit fast 360 000 Teilnehmern (Durchschnittsalter zu Studienbeginn 51Jahre) in neun europäischen Staaten den Beweis, dass ein zu hoher Body-Mass-Index signifikant mit der Mortalität in Zusammenhang steht. Teilnehmer mit einem hohen BMI starben im Vergleich zu solchen mit mittlerem BMI deutlich häufiger und früher an Krebs- oder Herz-Kreislauf- Erkrankungen.

Ein BMI von 24,3 bei Frauen und 25,3 bei Männern wurde in dieser Untersuchung als Richtwert für das geringste Risiko eines vorzeitigen Todes festgestellt. Unser durchschnittlich grosser Mann dürfte also etwa 80 Kilo wiegen, seine Frau, die nur 1,60 Meter gross ist, ungefähr 62 Kilo.

Ausschlaggebend: der Taillenumfang

Wo das Fett sitzt, ist ein wichtiger Faktor. Als besonders bedeutendes Ergebnis ihrer Untersuchung werten die europäischen Forscher, dass der Taillenumfang offenbar das Sterblichkeitsrisiko unabhängig vom Body-Mass-Index erhöht. Denn: Schlanke Personen mit niedrigen BMI, aber mit viel Körperfett im Bauchraum und damit einem grossen Taillenumfang hatten ein ebenso grosses Sterblichkeitsrisiko wie stark Übergewichtige. Als «gross» wurde in dieser Studie ein Mass von über 100 Zentimetern (Frauen) bzw. über 120 Zentimetern (Männer) gewertet.

Bauchfett mit Organwirkung

«Unsere Studie zeigt, dass das Ansammeln von überflüssigem Fett rund um die Mitte des Körpers ein Gesundheitsrisiko mit sich bringt, selbst wenn das auf der Basis des Body-Mass-Index bewertete Gewicht normal ist», sagt Professor Elio Riboli vom Imperial College London.

Das so genannte viszerale Bauchfett, das die inneren Organe umgibt, ist viel aktiver als die Fettdepots direkt unter der Haut. Es fungiert selbst wie ein Organ und produziert im Übermass Botenstoffe und Hormone, die in den Stoffwechsel eingreifen (s. auch S. 18; Artikel zum «Schmauen»). Die Folge: Gefässschäden und damit ein höheres Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten. Riboli meint dazu, nur wenige individuelle Merkmale vergrösserten das Sterblichkeitsrisiko einer Person in diesem Masse, unabhängig vom Rauchen und Trinken.

Äpfel und Birnen

Also: Das Massband angelegt und festgestellt, ob man ein «Apfel»- oder «Birnentyp» ist. Bei den Birnen ist das Körperfett um Hüfte und Oberschenkel verteilt; das ist gesundheitlich gesehen günstiger. Die Äpfelchen hingegen legen ihre Fettdepots um die Taille herum und in der Bauchhöhle an. Und genau diese Speckrollen sind nicht gesund.

Aber dagegen kann man auch etwas tun. Professor Riboli: «Wenn jemand einen grossen Taillenumfang hat, muss er sich wahrscheinlich täglich mehr körperliche Bewegung verschaffen, übermässigen Alkoholkonsum vermeiden und seine Ernährung verbessern.» Ideal sind Taillenweiten von nicht mehr als etwa 80 Zentimetern bei Frauen und ungefähr 90 Zentimetern bei Männern.

Richtig essen statt falsch diäten

Ist also der BMI in Ordnung, der Bauch aber zu umfangreich, ist aus gesundheitlicher Sicht abspecken angesagt. Nur wie? Leserinnen der «Gesundheits-Nachrichten» wissen es schon lange: Diäten bringen nichts.

Abnehmtipps nach dem Motto «Speck weg mit Ananas» oder Mäuschen-Mahlzeiten, die aus einem Naturjogurt morgens und einem Knäckebrot mit Gurkenscheiben am Abend bestehen, führen nicht zum Erfolg, denn der Körper wehrt sich gegen Magerkost und Mini-Portionen. In Hungerphasen baut er nicht Fett, sondern Muskeln ab und schaltet den Stoffwechsel auf Sparflamme. Wer nach einer Diät wieder wie vorher isst, legt wieder zu – der berühmt-berüchtigte Jojo-Effekt.* Entscheidend also, wenn Sie abnehmen wollen: eine Ernährungsumstellung.



Mittelmeerkost ist Medizin

Das heisst aber eben nicht, dass Sie nun auf jeden Genuss verzichten sollen – im Gegenteil. Eine Ernährungsweise, die dauerhaft dabei hilft, gesund und schlank zu bleiben, kennt keine Verbote und verdirbt nicht die Lust am Essen, soll köstlich schmecken und gut verträglich sein. Sie darf auch nicht umständlich, schwierig oder gar langweilig sein und muss sich jederzeit im Alltag umsetzen lassen.

Zeitgemäss in diesem Sinne ist die vollwertige Mittelmeerküche. Sie erfüllt alle diese Kriterien und vereint Genuss und guten Geschmack mit Gesundheit und Wohlbefinden.

Auch wenn «Mittelmeerdiät» zu Alfred Vogels Zeiten noch kein Schlagwort war – seine Ernährungsratschläge entsprachen weitgehend den gleichen Prinzipien. So schrieb er neben vielem anderen über seine eigene Ernährung auf Reisen: «80 bis 90 Prozent (des Kalorienbedarfs) deckte ich mit Früchten, Gemüse, Honig, Vollkornbrot, Quark und Jogurt.» Im «Kleinen Doktor» riet er: «Die Hausfrau sollte bestrebt sein, alle tierischen Fette aus der Küche verschwinden zu lassen. Eine Ausnahme bildet die frische Butter, deren Einnahme jedoch sehr bescheiden sein muss.»

Mit diesen Empfehlungen und der appetitlichen Küche des Mittelmeers findet sich mit Sicherheit «das richtige Mass».

• Autorin: Dr. Claudia Rawer

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