background

Vater werden

Wenn Vater werden schwierig ist

1981 ereignete sich in Clermont, Florida, in einem Chemieunternehmen ein Unfall mit ungeahnten Folgen. Eine grössere Menge des Insektengiftes Dicofol floss ins Wasser des angrenzenden Sees Lake Apopka. In den folgenden Jahren stellten Forscher fest, dass der Bestand an Alligatoren im See um 90 Prozent zurückging. Die Geschlechtsorgane der männlichen Alligatoren in diesem Gewässer waren deutlich kleiner; viele Gelege der Echsen blieben unbefruchtet, und die Sterblichkeit der Jungtiere war extrem hoch.

Das Geschlechterverhältnis war zu den Weibchen hin verschoben; das gleiche galt für Fische und Möwen. Mit diesem Extremereignis wurde eindrücklich vor Augen geführt, welchen unerwünschten Effekt einzelne chemische Substanzen auf die Fruchtbarkeit haben können: Sie reduzieren unter anderem die Wirkung der männlichen Hormone.  

Neben vielen anderen Ursachen können auch solche Einflüsse dem Kinderwunsch eines Paares entgegenstehen.

Lässt der Nachwuchs auf sich warten?

Was kann man bei ausbleibender Vaterschaft tun? Es gilt vor allem zu beachten, dass sich der Nachwuchs nicht immer gleich wunschgemäss einstellt: Eine ganze Reihe von Faktoren kann die Empfängnis verzögern. Von Unfruchtbarkeit sprechen Mediziner erst dann, wenn sich bei einem Paar bei durchschnittlich zwei Mal Geschlechtsverkehr pro Woche   innerhalb von ein bis zwei Jahren keine Schwangerschaft einstellt.

Wenn die Befruchtung nicht klappt

Bei ausbleibender Befruchtung liegt die Ursache zu rund dreissig Prozent der Fälle beim Mann, bei weiteren dreissig Prozent sind die Gründe bei beiden Partnern zu suchen und bei dreissig Prozent gelingt die Befruchtung seitens der Frau nicht. Bei einem Drittel der Frauen, die nicht schwanger werden, sind die Eileiter verklebt oder verwachsen.

In den restlichen zehn Prozent der gesamten Fälle   führen medizinische Untersuchungen zu keinem Ergebnis; die Gründe für die Kinderlosigkeit bleiben ungeklärt.

Fachkundige Abklärung

Wenn sich der Kinderwunsch dauerhaft nicht erfüllt, ist eine fachärztliche Untersuchung ratsam. Verschiedene Gründe können verantwortlich sein, beispielsweise eine nicht behandelte Infektion der Harnwege und Geschlechtsorgane mit Chlamydien. Diese Bakterienart verursacht verhältnismässig wenig Beschwerden, ein Befall wird deshalb von Betroffenen unter Umständen lange nicht bemerkt. Die Mikroben können die Fruchtbarkeit bei der Frau wie auch beim Mann behindern.

Mit einem so genannten Spermiogramm wird die Zeugungsfähigkeit des Mannes überprüft: In einer Laboruntersuchung werden die Anzahl, die Konzentration, der Zustand und die Beweglichkeit der Spermien mit Referenzwerten verglichen. Bei ungewöhnlichen Ergebnissen kann eine spezielle umweltmedizinische Analyse Klarheit schaffen. Allfällige Belastungen des Organismus mit   bestimmten Schwermetallen oder Chemikalien treten dabei ebenfalls zu Tage.

Umweltbelastungen mitbeteiligt

Die Auswirkungen von Umweltgiften bei der menschlichen Fortpflanzung sind seit rund zwanzig Jahren Thema verschiedener Studien. Der Nachweis der genauen Zusammenhänge gestaltet sich allerdings sehr schwierig. Bei einem Teil der Analysen wurden nachträglich methodische Fehler gefunden, die Daten wurden zu wenig gründlich erhoben oder vorschnell Schlussfolgerungen gezogen. Einer kritischen Nachprüfung halten sie nicht stand; angesehene Wissenschaftler bezweifeln die Aussagekraft eines Gutteils der Untersuchungen. Forscherinnen und Wissenschaftler in verschiedenen Ländern sind mit weiteren Studien beschäftigt, doch verlässliche Studienergebnisse lassen noch auf sich warten.

Von Fortpflanzungsmedizinern wird heute jedoch nicht mehr bezweifelt, dass verschiedene Chemikalien aus der Umwelt den menschlichen Hormonhaushalt durcheinander bringen können. Die Befruchtung wird bei der Frau wie beim Mann über fein abgestimmte hormonelle Prozesse gesteuert, selbst geringe Eingriffe könnten eine Zeugung verhindern. Zwar dürfen viele besonders gefährliche Chemikalien in Europa von der Industrie nicht mehr eingesetzt werden,   doch durch die Globalisierung und den Tourismus kann ein Kontakt mit ihnen nicht restlos ausgeschlossen werden.

Chemikalien in Berufs- und Umwelt

Eine mögliche Herkunft von Störquellen ist die Berufstätigkeit: Bei Frauen und Männern, die viel mit Lösungsmitteln oder anderen Chemikalien hantieren, gelangen unter Umständen entsprechende Stoffe über Dämpfe oder über den Hautkontakt in den Organismus. Des Weiteren können problematische Substanzen aus Möbeln, Wandvertäfelungen oder Bodenbelägen über die Atmung den Weg in den Geschlechtshormonhaushalt finden.

Insektizide, Dünger, Pflanzenschutzmittel, Chlorwasserstoffe, Parfümsubstanzen, Abgase sowie Schwermetalle sind weitere mögliche Störfaktoren für die Zeugungsfähigkeit. Und auch Kunststoffprodukte können problematische Substanzen enthalten. In einigen von ihnen lassen sich sogenannte Weichmacher, Chemiker nennen sie Phthalate, nachweisen. Zum Beispiel Bisphenol A, eine Substanz zur Stabilisierung von Kunststoffprodukten, kann negativ ins menschliche Hormonsystem eingreifen.

Britische Forscher haben eine weitere fruchtbarkeitsstörende Quelle gefunden: den Wasserkreislauf. In Proben aus 30 verschiedenen Flüssen Grossbritanniens liess sich ein Mix aus Rückständen der Antibabypille und weiteren   Medikamenten sowie aus Pflanzenschutzmitteln und Industriechemikalien nachweisen.

Besser essen, Belastungen mindern

Bei der Ausscheidung von belastenden Stoffen kann eine veränderte Ernährung helfen: Fünf Portionen frisches Obst und Gemüse versorgen den Körper mit wichtigen Vitaminen und pflanzlichen Sekundärstoffen; sie unterstützen Stoffwechselprozesse und die Selbstheilung. Insbesondere grünes Gemüse, Hülsenfrüchte und Tomaten enthalten Substanzen, die die Qualität der Spermien erhöhen.

Zusätzlich fördern die Spurenelemente Selen und Zink den Abbau von Giftstoffen. Besonders reich an Selen sind Getreideprodukte, Nüsse, Süsswasser- und Meerfische, Eigelb sowie Leber und Fleisch. Selen kann auch als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden – doch Vorsicht: Eine Überdosierung bewirkt Haarausfall und andere Gesundheitsstörungen.

Einen hohen Gehalt an Zink weisen Leber, Soja, Haferflocken, Hirse, Emmentalerkäse, Linsen, Erdnüsse sowie Lamm- und Rindfleisch auf. Zink kann ebenfalls als Nahrungsergänzungsmittel konsumiert werden. Eine sechswöchige Zinkkur kann die Spermienqualität erheblich verbessern.

Wie Forschungen ergeben haben, kann auch ein Mangel an L-Carnitin zu Unfruchtbarkeit beitragen. Dieser Nährstoff, eine Aminosäureverbindung, spielt im Zellstoffwechsel eine Rolle. Normalerweise wird er über die Nahrung in ausreichender Menge aufgenommen, insbesondere Fleisch und Milchprodukte sind gute Lieferanten. Bei Vegetariern ist allerdings eine   Unterversorgung möglich. Eine fachmedizinische Behandlung kann ein mögliches Defizit ausgleichen.

Wasser und Tee

Zur Ausleitung von Giftstoffen ist regelmässiger Flüssigkeitsnachschub unerlässlich. Besonders geeignet sind Brennnessel- sowie Löwenzahntee, beide wirken ausschwemmend. Eine Teekur mit drei bis vier Tassen täglich sollte ungefähr sechs Wochen dauern. Auch Kräutermischungen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) können helfen, Schadstoffablagerungen auszuleiten. Bei derartigen Behandlungen sollte man unbedingt eine   ausgebildete und erfahrene Fachperson zu Rate ziehen.

Von im Internet angepriesenen Produkten zur Ausleitung von Giften lässt man besser die Finger, im harmloseren Fall sind sie wirkungslos und überteuert. Oft sind sie aber auch von zweifelhafter Qualität und damit bedenklich für die Gesundheit. Bei Postsendungen aus dem Ausland muss zudem mit der Beschlagnahmung durch den Zoll gerechnet werden. Der Kaufpreis geht dabei verloren. 

Gesunder Lebensstil

Auch Rauchen kann der Fruchtbarkeit schaden, Nikotin verengt die Blutgefässe und reduziert damit die Blutversorgung. Hände weg von Cannabisprodukten, sie sorgen dafür, dass Spermien weniger leicht in die Eizelle eindringen können.

Wie Studien in den USA und in Dänemark zeigten, kann auch Übergewicht die Qualität der Spermien reduzieren. Ein körperlich aktiver Lebensstil wirkt sich regulierend auf das Körpergewicht aus und steigert die Durchblutung.

Bewegungsmangel kann dagegen einen Wärmestau in den Hoden bewirken, dadurch wird die Spermienproduktion verzögert. Den gleichen Effekt haben auch Heizungen in Autositzen.

Zu einer erhöhten Temperatur können auch Krampfadern an der Samenleitervene führen. Wer gerne Vater werden möchte, sollte nicht zu eng anliegende Unterwäsche tragen, sie schränkt die Blutzirkulation ein.

Mehr Ruhe ins Leben bringen: Dauerstress wirkt sich auf die hormonellen Prozesse bei Frau und Mann ungünstig aus.

Mehr Entspannung

Die Emanzipation hat für verbesserte Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen gesorgt. Als Folge davon wird die Familiengründung vertagt. Doch nach 25 sinken die Chancen auf eine erfolgreiche Befruchtung kontinuierlich.

Ein Lebensstil mit regelmässigen Entspannungs- und Erholungszeiten ist nicht nur für das allgemeine Wohlbefinden sehr empfehlenswert, er erhöht auch die Chancen auf eine Schwangerschaft. Dauerstress wirkt sich auf die hormonellen Prozesse bei Frau und Mann ungünstig aus.

Hohe Belastungen am Arbeitsplatz oder in der Aus- und Weiterbildung lassen oft wenig Zeit für eine ausgewogene Ernährung. Ein Mangel an Selen, an ungesättigten Fettsäuren, an Folsäure sowie an Vitaminen stören den weiblichen Hormonhaushalt. Auch hoher Kaffeekonsum verzögert Mutterfreuden, er belastet den Kreislauf. Koffein kann zudem die Muskelkontraktionen in den Eileitern bremsen und so die Reise des Eis vom Eierstock in die Gebärmutter erschweren, möglicherweise also auch eine Schwangerschaft verhindern.

Dagegen wirken Tees aus den Heilkräutern Goldrute, Wacholder sowie Frauenmantel entspannend auf die weiblichen Organe. Arzneien, die Mönchspfeffer enthalten, wirken zudem ausgleichend auf den Hormonhaushalt der Frau.

Und nicht zuletzt fördert Bewegung an der frischen Luft die Durchblutung der Bauchregion – warum nicht in Form eines romantischen Spaziergangs mit dem zukünftigen Vater?

Autor: Adrian Zeller