Immer mehr Menschen leiden an unheilbaren, chronisch verlaufenden Darmentzündungen, deren Symptome nur schwer zu lindern sind. Doch mit der richtigen Therapie, verträglicher Ernährung und viel Bewegung lässt sich oft ein fast normales Leben führen. Autorin: Judith Dominguez (GN 12/14)
Entzündliche Darmerkrankungen treffen oft junge Menschen. Die
Häufigkeit ist bei Männern und Frauen etwa gleich hoch. In den letzten
Jahrzehnten wurde in den westlichen Ländern eine dramatische Zunahme
entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
festgestellt. Während diese chronischen Krankheiten früher eher selten
auftraten und meist erstmals im Alter zwischen 20 und 30 diagnostiziert
wurden, leiden jetzt immer häufiger bereits Kinder unter den
unangenehmen Symptomen. Ein zweiter, jedoch wesentlich kleinerer
Erkrankungsgipfel liegt nach dem 60. Lebensjahr. Weshalb mehr Menschen
erkranken, weiß bis heute niemand, obwohl intensiv daran geforscht wird.
Merkwürdigerweise erkranken die Bewohner von Städten und großen Ballungszentren häufiger als früher, während in den ländlichen Gegenden die Häufigkeit unverändert blieb. Schätzungsweise sind zwei Prozent der Bevölkerung von diesen Leiden betroffen. Doch ganz gleich wie viele Menschen an Darmentzündungen leiden, für jeden Einzelnen ist das sehr belastend.
Von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Betroffene leiden an heftigem Durchfall, der sie mehr als zwanzig Mal pro Tag zwingt, schnell auf die Toilette zu eilen. Das ist enorm einschneidend tagsüber, am Arbeitsplatz oder unterwegs. Aber auch nachts sind die Patienten sehr belastet, wird ihr Schlaf doch immer wieder durch den Drang, sich zu entleeren, gestört. Diese Episoden sind von starken Bauchschmerzen, Blähungen und Krämpfen begleitet.Teilweise leiden die Betroffenen gleichzeitig unter Übelkeit und Erbrechen; manchmal sind die Durchfälle sogar blutig. Weil die Darmpassage dermaßen schnell ist, bleibt der Schleimhaut nicht genügend Zeit, alle wertvollen Nährstoffe aufzunehmen. Die Kranken leiden an Gewichtsabnahme und sind zudem mangelernährt. Das lässt sich leicht im Blut nachweisen: Die Betroffenen haben zu wenig Eisen, Vitamine und Spurenelemente. Das macht sie müde und antriebslos.
Selten treten gleichzeitig Entzündungen an anderen Orten im Körper auf, an den Augen, in der Gallenblase, auf der Haut, Arthritis in den Gelenken oder als Aphten am Mund.
Zu Beginn der Krankheiten vermuten sowohl Betroffene als auch deren Ärzte oft, es handle sich um eine harmlose Magen-Darm-Verstimmung. Die Symptome für eine Darmentzündung sind auf den ersten Blick nicht von einer leichten Lebensmittelvergiftung oder Darminfektion zu unterscheiden. Meist klingen sie auch rasch wieder ab. Doch die lästigen chronischen Darmentzündungen verlaufen in sogenannten Schüben. Von Schüben spricht man in der Medizin, wenn sich im Krankheitsverlauf akute Symptome mit beschwerdefreien Zeiten abwechseln.
Manchmal dauern die Intervalle ohne Krankheitszeichen Monate
oder (selten) sogar Jahre, und plötzlich sind die Darmentzündungen
wieder mit aller Heftigkeit da. Ohne Behandlung treten die Schübe im
Verlauf der Krankheit immer häufiger auf, oder die beschwerdefreien
Zeiten bleiben ganz aus. Damit wird auch die Behandlung
immer schwieriger. Die Betroffenen verlieren viel Blut und leiden
zunehmend unter Mangelerscheinungen.
Dadurch sind die Patienten so geschwächt, dass sie anfällig für andere Erkrankungen werden. Zudem kommt es häufig zu Komplikationen. Es bilden sich oft Fisteln in Vagina oder Blase. Heilen die Wunden ab, bilden sich Vernarbungen; dadurch wird das Darmvolumen immer kleiner. Auch Abszesse kommen immer wieder vor, und besonders gravierend ist das erhöhte Risiko für Darmkrebs.
Ärzte nehmen immer eine Anamnese auf. Das heißt, sie fragen nach allen Symptomen und Begleiterscheinungen. Wie jeder Entzündungsprozess ist auch der bei Darmerkrankungen oft von Fieber und Schmerzen begleitet. Der Arzt wird deshalb in einer Blutprobe nach dem Hinweis auf eine Entzündung suchen und diese dann zweifelsfrei nachweisen können: Bei Entzündungen, gleich welcher Art,sind im Blut vermehrt weiße Blutkörperchen zusehen, die Leukozyten. In einem nächsten Schritt wird eine Darmspiegelung vorgenommen. Der Arzt kann mit einem Endoskop, einem biegsamen Gerät mit einer winzigen Kamera an der Spitze, das in den After eingeführt wird, die gesamte Schleimhaut des Dickdarms inspizieren.
Dies ist eine eher unangenehme Diagnosemethode, doch oft noch immer notwendig. Mit Hilfe der Bilder aus dem Darminneren werden die Entzündungsherde aufgespürt. Manchmal entnehmen die Darmspezialisten auch Gewebeproben und untersuchen diese auf mögliche entzündliche Veränderungen.
«Morbus» bedeutet in der medizinischen
Fachsprache nichts anderes als «Krankheit». Es gibt eine ganze Reihe von
Syndromen, die als Morbus bezeichnet werden: Allgemein bekannt sind z.B.
der Morbus Parkinson oder der Morbus Bechterew. Üblicherweise wird jedem
Morbus der Name desjenigen Arztes angehängt, der die Krankheit
erstmals beschrieben hat und somit als deren Entdecker gilt.
So kam auch der Morbus Crohn zu seinem Namen: Die Entzündung der Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes wurde nach einem amerikanischen Magen- und Darmspezialisten benannt. Die Schleimhaut des Mundes, der Speiseröhre, des Magens und des Darmes haben für die Verdauung unersetzbar wichtige Rollen und eine Beeinträchtigung deren Funktionen ist gravierend. Deshalb sind die Beschwerden umso größer, je mehr Schleimhautabschnitte entzündet sind.
Während beim Morbus
Crohn der ganze Verdauungstrakt entzündliche Veränderungen aufweisen
kann, ist bei der Colitis ulcerosa nur die Schleimhaut des Dickdarms
betroffen. Der Dickdarm heißt in der Medizinersprache «Colon», mit der
Endung «-itis» wird immer eine Entzündung bezeichnet, weswegen wir auch
von Bronchitis oder Rachitis sprechen.
In leichteren Fällen sind bei
der Colitis nur die oberste Schleimhaut, die Mucosa, oder die
gleich darunter liegende Submucosa entzündet. In
fortgeschrittenen, schweren Krankheitsstadien frisst sich die Entzündung
bis zu tiefliegenden Hautschichten durch. Diese Geschwüre nennt man
Ulcus. Da sie das akute Stadium charakterisieren, erhält die Krankheit den
Beinamen «ulcerosa».
Von einer ausgebrannten Colitis spricht man, wenn
die Darmschleimhaut weitgehend zerstört ist und ihrer Funktion, den Stuhl
einzudicken, nicht mehr nachkommen kann.
Die
Ursachen dieser von chronischen Darmentzündungen konnten noch immer
nicht vollständig geklärt werden. Viele Hinweise deuten auf
eine klassische Autoimmunerkrankung hin; andererseits könnten auch
bakterielle Infektionen die Krankheit begünstigen. Wahrscheinlich spielt
zudem die Genetik mit: Sowohl Morbus Crohn als auch Colitis ulcerosa
kommen in gewissen Familien gehäuft vor, so dass sie möglicherweise von
Generation zu Generation weitergegeben werden.
Vielleicht spielt die
Ernährung eine Rolle, vielleicht beeinflussen sogar Umweltfaktoren die
Entstehung der Krankheiten.
Psychische Faktoren wie z.B. das Auftreten von Depressionen dagegen scheinen nicht Auslöser, sondern eher Folge der Erkrankung zu sein. Das Unwissen über die Ursachen verhindert eine erfolgreiche Vorbeugung und vermindert die Therapiemöglichkeiten.