Zweiten Teil unserer Kaffeemythen geht es u.a. um Migräne, Kaffee als Diätmittel, als Doping-Mittel für erhöhte Denkleistungen und im Sport.
Bei Migräne und Kopfschmerzen infolge eines «Katers» beruhen die
Beschwerden auf einer exzessiven Erweiterung der Blutgefäße, welche vom
bereits genannten Adenosin gesteuert wird. Steigt der Adenosinspiegel,
öffnen sich die Blutgefäße im Gehirn. Werden die Adenosinrezeptoren von
Koffein blockiert, ziehen sie sich zusammen. Menschen, die unter
Migräne leiden, begrüßen die (für einen Gesunden relativ unbedeutende)
Verringerung der Hirndurchblutung.
Aus diesem Grund findet sich Koffein
in vielen rezeptpflichtigen und frei verkäuflichen Schmerzmitteln. Doch
verstärkt sich das Öffnen und Zusammenziehen der Blutgefäße sehr bald,
weil der Körper sich an das Koffein gewöhnt. Solange der Stoff
«nachgefüllt» wird, bleibt dieser Effekt unbemerkt. Wird die
Koffeinzufuhr jedoch plötzlich gestoppt, erweitern sich die Gefäße weit
stärker als normal, was in einem bohrenden Kopfschmerz enden kann.
Bei
einer Migräneattacke kann Koffein also nur zeitweise Erleichterung
bringen, und wegen der oben beschriebenen Gefahr ist von einer
Selbstmedikation (und dem Gebrauch koffeinhaltiger Medikamente)
abzuraten. Eine andere Erklärung für den Koffeinanteil in Medikamenten
ist, dass die schmerzlindernde Wirkung von Acetylsalicylsäure (Aspirin), Paracetamol oder Propyphenazon deutlich verstärkt wird.
Einige Untersuchungen haben diesbezüglich Besorgnis erregt.
Wissenschaftler wiesen darauf hin, dass Frauen in den Wechseljahren, die
weniger als 800 mg Kalzium pro Tag aufnehmen haben und regelmäßig zwei
bis drei Becher Kaffee pro Tag trinken (450 mg Koffein), ein erhöhtes
Risiko von Knochenschwund, Knochenbrüchen und Osteoporose tragen.
Die eigentliche Information ging aber mal wieder um der Sensation willen verloren. Nicht der Kaffee oder das Koffein ist daran schuld, sondern die mangelnde Kalziumzufuhr. Frauen, die wenigstens ein Glas Milch pro Tag getrunken hatten, wiesen kein erhöhtes Risiko auf – trotz Kaffeetrinkens. Die Moral von der Geschicht’: Nicht Kaffee statt Milch trinken, sondern Kaffee und Milch (oder eine andere Form von Kalziumzufuhr).
Auswärts zuviel Wein zum Essen getrunken, und die Autofahrt steht noch bevor? Viele denken: macht nichts – ein doppelter Espresso wird’s schon richten. Völlig falsch! Zwar macht Alkohol müde und Koffein danach munter – aber nur für kurze Zeit. Und mit dem Alkoholspiegel im Blut hat der kleine Schwarze gar nichts zu tun. Der bleibt wie er ist und wird keinesfalls gesenkt
Viele Leute glauben, Koffein helfe abzunehmen. Das kommt daher, dass
Koffein fähig ist, Fett freizusetzen und es in Fettsäuren zu spalten.
Dieser Effekt ist aber höchstens für Sportler interessant, deren
trainierte Muskeln, die freigesetzten Fettsäuren bereitwillig
verbrennen.
Doch bei Menschen, die viel sitzen, werden die freigesetzten
Fettsäuren schnell wieder in Fett zurückverwandelt. Ohne sportliche
Betätigung also null Effekt. Die amerikanische Food and Drug
Administration verbot bereits 1991 Koffein in allen Produkten zur
Gewichtsreduktion, weil sowohl die Wirkung der Fettverbrennung als auch
der Appetithemmung und des gesteigerten Stoffwechsels minimal sei.
Zahlreiche Studien beweisen, dass Koffeinkonsum mit einer Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten einhergeht. Wer geistig wach sein will, braucht aber nur eine Tasse Kaffee am Morgen und vielleicht wieder eine am Nachmittag. Die stimulierende Wirkung einer Dosis Koffein hält mehrere Stunden lang. Trinkt man mehr Kaffee, ist es, als tanke man nach, obwohl der Benzintank des Autos noch voll ist. Gesichert ist, dass Koffein bei relativ einfachen Aufgaben, die eine hohe Konzentration und eine gewisse Schnelligkeit erfordern, die geistige Leistungsfähigkeit steigert. Wie es um die Anregung der Gehirnzellen bei komplizierteren oder gar «philosophischen» Aufgaben bestellt ist, ist hingegen noch kaum untersucht.
Seit langem ist bekannt, dass Koffein die Leistungen bei einer Reihe von
Sportarten, so Schwimmen, Laufen und Fahrradfahren, deutlich
verbessert. Radrennfahrer, die eine Stunde vor Trainingsbeginn 330
Milligramm Koffein zu sich nahmen, hielten durchschnittlich 19,5 Prozent
länger durch als die Versuchspersonen ohne Koffein.
In einem anderen
Test ging es um einen 1500 Meter-Lauf, bei dem der Spurt über die
letzten 400 Meter bewertet wurde: 14 von 18 Läufern bewältigten ihn
schneller mit Koffein als ohne (330 mg Koffein in zwei Tassen Kaffee)
und produzierten weniger ermüdende Milchsäure im Blut.
Koffein wirkt nachweislich nicht nur im Ausdauersport leistungssteigernd, sondern auch wenn kurzzeitig Höchstleistungen erbracht werden sollen.
Koffein gilt als unerlaubtes Doping, wenn mehr als 12 Mikrogramm pro Milliliter Blut festgestellt werden (das entspricht etwa sechs Tassen Kaffee innerhalb von dreissig Minuten).