Wir haben einen neuen Begleiter aus der Welt der Viren. Noch kann niemand sagen, wie wir mit dem «neuartigen Coronavirus» weiterleben werden.
Dass wir uns irgendwie mit ihm arrangieren und Schutzmassnahmen ergreifen müssen, steht wohl ausser Frage.
Autorin: Dr. Claudia Rawer, 11/20
Von Ende 2019 bis Mitte Dezember 2020 sind mehr als 1,6 Millionen Menschen weltweit nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2* gestorben – so die offiziellen Zahlen, die auf Testergebnissen beruhen. Experten befürchten, dass die Dunkelziffer wesentlich höher liegt. Die Zahl der Toten liegt also nach einem knappen Jahr nahe an der der letzten grossen Grippe-Pandemie des 20. Jahrhunderts: An der Hongkong-Grippe starben vermutlich an die zwei Millionen Menschen – innerhalb von zwei Jahren. Allein in den USA gibt es bereits über 300.000 Tote, in Brasilien mehr als 180.000. Unser Nachbarland Frankreich hat 58.000 Todesfälle durch Covid-19 zu beklagen.
* Um Missverständnisse und Verwechslungen zu vermeiden, wird in diesem Text das «neuartige Coronavirus» immer als Sars-CoV-2 und die durch dieses Virus hervorgerufene Erkrankung Covid-19 genannt. Die Abkürzung Sars-CoV-2 bedeutet «Severe Acute Respiratory Syndrome» - übersetzt etwa «Schweres akutes Atemwegs-Syndrom». «Covid-19» bezieht sich auf die Coronavirus-Krankheit (Disease) und das Ausbruchsjahr 2019.
Alle Angaben zum Virus sowie zu Covid-19 und seinen Folgen in diesem Artikel stammen aus Fachzeitschriften.
Die Virenfamilie ist seit den 1960er-Jahren bekannt. Im Elektronenmikroskop sieht man grob kugelförmige Strukturen, besetzt mit kleinen Fortsätzen, was an einen Kranz oder eine Krone erinnert. Coronaviren sind genetisch sehr variabel und können bei Amphibien, Reptilien, Vögeln, Säugetieren und dem Menschen sehr unterschiedliche Erkrankungen hervorrufen. Beim Menschen sind bislang sieben Arten von Bedeutung: einige als Erreger von leichten Atemwegsinfektionen (Erkältungen), andere als Verursacher von schwer bis tödlich verlaufenden akuten Atemwegssyndromen wie «MERS» und «SARS».
Das jetzt als Sars-CoV-2 bezeichnete Virus war bislang unbekannt. Etliche Coronaviren sind im Tierreich zu Hause; springen sie auf den Menschen über und erregen bei ihm eine Erkrankung, spricht man von einer Zoonose. Dies geschah aller Wahrscheinlichkeit nach in China Ende 2019. Nach heutigen Erkenntnissen trat Sars-CoV-2 erstmals auf einem Fischmarkt in der zentralchinesischen Stadt Wuhan auf und wurde vermutlich von Fledermäusen übertragen.
Als Leserinnen und Leser dieses Beitrages sollten Sie sich bewusst machen, dass er im Oktober 2020 geschrieben wurde – zu einem Zeitpunkt, wo die Infektionszahlen wieder stark, teilweise sprunghaft steigen, auch in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich. Zwei Monate später befinden uns mitten in einer schnell fortschreitenden Pandemie, von der noch niemand sagen kann, wie genau sie sich in den kommenden Monaten und Jahren entwickeln wird.
Aktuell zu berichten, ist dementsprechend äusserst schwierig. Wir stehen in einer Situation, in der die Infektionszahlen und die Zahl der Verstorbenen von Woche zu Woche höher werden, sich aber praktisch jeden Tag auch neue Erkenntnisse ergeben. Von heute auf morgen verändert sich die Lage.
Dementsprechend müssen Politiker und Experten flexibel reagieren. Gab es wochenlang zwar einen schnellen Anstieg der Infektionszahlen, aber nur wenige Todesfälle, sieht das im Dezember 2020 anders aus. Das Virus ist längst wieder in den Alten- und Pflegeheimen angekommen, die Intensivstationen, auch in der Schweiz und in Deutschland, sind teils bis auf den letzten Platz besetzt. Die Zahl der Toten steigt unablässig; weltweit kommen täglich (!) über 10.000 dazu. Das öffentliche Leben wird in den meisten Ländern Europas heruntergefahren.
Sars-CoV-2 traf die Welt und zu Beginn vor allem auch Europa praktisch unvorbereitet und hart. Die chinesische Millionenmetropole Wuhan war Zentrum des Ausbruchs. Für eine grössere Ausbreitung sahen Experten zunächst ein geringes Risiko. Doch so einfach, wie man in unserer globalisierten Welt von China zu Verwandten in die USA fliegen kann, verbreitete sich auch das Virus. Mittlerweile hat es sich in mehr als 185 Ländern etabliert. Zunächst waren es Einzelfälle von Infektionen, in Frankreich, Deutschland, Finnland, den USA. Von etwa 500 im Januar gezählten, akut Infizierten weltweit steigt die Zahl auf 22 000 Anfang Februar und auf 46 000 Anfang März. Im Frühsommer waren es schon drei Millionen; aktuell sind 30 Millionen aktiv infiziert, wobei weder Genesene noch Gestorbene in diesen Zahlen enthalten sind.
Die Symptome einer Infektion mit Sars-CoV-2 können relativ leicht ausfallen. Daher wurde die Erkrankung zunächst von vielen nicht ernstgenommen. «Auch nicht schlimmer als eine Grippe», war oft zu hören – wobei gern vergessen wurde, dass ja auch die saisonale Influenza jährlich Tausende von Todesopfern fordert, die vielleicht vermeidbar wären, würde man sich besser vor ihr schützen. Zudem kursierten falsche Zahlen zur Grippe: Jährlich 20 000 Menschen würden allein in Deutschland an ihr sterben. Richtig ist, dass es meistens «nur» 5000 bis 8000 Tote sind und die Zahl nur selten deutlich höher liegt (zuletzt in der Saison 2017/2018).
Unterschätzt wurde auch, dass es sich um ein für den Menschen neues Virus handelt, gegen das wir keinerlei Immunschutz haben – während viele von uns im Laufe ihres Lebens schon Antikörper gegen diverse Grippeviren gebildet haben. Ebenfalls unterschätzt wurde, dass das Virus hochinfektiös ist und von Menschen übertragen werden kann, die keine Symptome haben. Die zynischeren unter den Leichtsinnigen meinten, es würde ja sowieso nur alte Leute treffen. Inzwischen wissen wir, dass in Deutschland wie in der Schweiz viele Menschen durch Sars-CoV-2 gestorben sind – und keineswegs «nur Alte».
Das Virus Sars-CoV-2 wird häufig als «tückisch» bezeichnet. Diese Tücke besteht u.a. darin, dass es Symptome hervorrufen kann, aber nicht muss. Infektionen können symptomlos vergehen und gar nicht bemerkt werden, was die ohnehin hohe Infektiosität noch verschärft. Die Infektiosität kann auch vor dem Auftreten von Symptomen schon sehr hoch liegen, infizierte Personen also unbemerkt andere anstecken.
Die Krankheitsverläufe reichen von eher leichten Erkrankungen ähnlich einer Erkältung bis hin zu schweren Lungenentzündungen mit Lungenversagen und Tod.
Wenn Sie eines oder mehrere der häufig vorkommenden Symptome haben oder bei einem Familienmitglied bemerken, sollten Sie in jedem Falle Ihre Ärztin oder Ihren Arzt kontaktieren. Die Inkubationszeit, also die Spanne zwischen Infektion und dem Auftreten von Symptomen beträgt im Durchschnitt fünf bis sechs Tage, kann aber auch wesentlich länger sein.
Ob es zu einer schweren Entwicklung von Covid-19 kommt, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Allgemeine Risikofaktoren sind ein höheres Lebensalter sowie bestimmte Vorerkrankungen und Lebensstilfaktoren, z.B.
Im Übrigen können schwere Verläufe auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung und bei jüngeren Patienten auftreten.
Tatsächlich verlaufen wohl etwa 80 Prozent der Infektionen ohne Symptome oder mild. Das restliche Fünftel der Infizierten muss jedoch mit dem Schlimmsten rechnen. In schweren Fällen tritt eine in der Regel beidseitige Lungenentzündung mit hohem Fieber und schwerer Atemnot bis hin zu Lungenversagen und damit dem Tod auf. Nicht nur die Lunge, auch andere Organe sind betroffen:
Die Nieren, die Blutgefässe, das Herz und das Gehirn können (Langzeit-)Schäden davontragen.
Die Lunge besitzt, sofern nicht vorgeschädigt, ein recht grosses Erholungspotenzial. Selbst bei nur mittelschwerem Verlauf der Krankheit kann es aber Monate dauern, bis sie wieder voll funktionsfähig und frei von Entzündungszeichen ist.
Die Nieren greift das Virus häufig an, vor allem bei schwer erkrankten Patienten. Bei etwa einem Drittel kommt es zum Nierenversagen. Auch wenn der Patient dies übersteht und sich die Niere erholt, bleibt sie sehr oft anfälliger für weitere Infektionen und Erkrankungen.
Entzündliche Veränderungen des Herzmuskels oder des Herzbeutels kommen bei Covid-19 ebenfalls oft vor. Sie wurden sogar trotz eines sehr leichten Verlaufs der ursprünglichen Erkrankung und bei ansonsten gesunden und oft sportlichen Patienten beobachtet. Bei den Verstorbenen wurde in vielen Fällen eine Infektion des Herzmuskels festgestellt. Aber auch bei Überlebenden wurde nach überstandener Sars-CoV-2-Infektion eine Pumpschwäche des Herzens diagnostiziert.
Covid-19-Patienten erleiden zudem vermehrt Thrombosen und Lungenembolien. Ob auf der Intensiv- oder einer Normalstation behandelt – bei allen ist das Risiko für eine Embolie deutlich erhöht.
Neurologische Probleme wie Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisschwund oder sogar ein Koma sind nach neuesten Untersuchungen sehr häufig: Sie traten bei vier von fünf Covid-19-Patienten auf, die stationär im Spital behandelt werden mussten.
Zudem befürchten viele Mediziner, dass es neben bereits bekannten Langzeitfolgen wie z.B. lang andauernder Erschöpfung oder anhaltender Luftnot, die auch bei jungen und sehr jungen Infizierten vorkommen, gerade bei älteren und schwer erkrankten Patienten zu bleibenden Beeinträchtigungen kommt.
Starke Abwehrkräfte dürften mit der beste Schutz gegen Viren und andere Krankheitserreger sein. Wie man sein Immunsystem pflegt und stärkt, wissen GN-Leserinnen und -Leser aus zahlreichen Artikeln der letzten Monate und Jahre.
Leider ist Sars-CoV-2 dafür bekannt, dass es einige Tricks auf Lager hat, unser Immunsystem zu unterlaufen. So kam es bei etlichen Patienten durch einen sogenannten Zytokinsturm zu einem ausgesprochen schweren Verlauf der Erkrankung bzw. zum Tod.
Zytokine steuern in unserem Körper die Abwehr von Krankheitserregern. Ein Zytokinsturm bewirkt das Gegenteil: Er ist eine Überreaktion des Immunsystems, bei der Zytokine unkontrolliert freigesetzt werden; schwere Entzündungen in der Lunge und anderen Organen sind die Folge.
Glücklicherweise haben die Mediziner dieses Problem erkannt und sind mittlerweile besser in der Lage, einen drohenden Zytokinsturm zu erkennen (durch einen einfachen Urintest) und zu verhindern.
In der Reaktion der körpereigenen Abwehr könnte auch die Antwort auf die Frage liegen, warum Kinder so selten schwer erkranken. Die Gefährlichkeit von Sars-CoV-2 liegt insbesondere in seiner Neuartigkeit bzw. seiner äusserst geringen Ähnlichkeit mit bekannten Erregern. Das Immunsystem eines Erwachsenen, das bereits Dutzende, vielleicht Hunderte von Krankheitskeimen erfolgreich abgewehrt hat, hat dem neuen Virus keine bereits «erlernte» Immunantwort entgegenzusetzen. Das kindliche Immunsystem ist dagegen noch «im Training» und muss sich in den ersten Lebensjahren ständig mit «neuen» Erregern auseinandersetzen. Die kindliche Abwehr reagiert daher ausbalancierter und viel seltener überschiessend.
Trotz der geschilderten Problematik ist auch das Immunsystem von Erwachsenen lernfähig. Auf Dauer wird also ein fittes Immunsystem zusammen mit einer entsprechend gesunden Lebensführung von grossem Nutzen sein.
Schutz bieten auch die Massnahmen, die in fast allen Ländern eingeführt wurden: die Abstandsregeln, das regelmässige Händewaschen, das Tragen von Masken, die die Tröpfcheninfektion verhindern oder zumindest beschränken. (Im Übrigen nutzen Masken nur dann etwas, wenn sie tatsächlich über Mund UND Nase getragen werden.) Auch die Einschränkung von sozialen Kontakten, so schwer sie uns emotional fällt, bedeutet mehr Sicherheit vor einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus.
Bezüglich Impfungen kann man unterschiedlicher Meinung sein. Doch gibt es gegen Viren praktisch keine wirksamen Medikamente. Schwere virale Krankheiten konnten bislang nur durch eine Immunisierung zurückgedrängt werden (Kinderlähmung, Pocken). Eine Impfung gegen das Coronavirus könnte eine lebensrettende Hoffnung sein – ebenso wie die gegen die jährlich wiederkehrende «saisonale Grippe», die ja ebenfalls häufig Tausende von Toten fordert. Momentan stehen bereits gut untersuchte und sichere Impfstoffe kurz vor der Zulassung in Europa. Doch bis jeder geimpft werden kann, der das möchte, werden mit Sicherheit noch Monate vergehen.
Ein wesentlicher Schutzfaktor besteht darin, sich gesund zu ernähren und sich möglichst viel an der frischen Luft zu bewegen.
Auch wenn mittlerweile Impfstoffe auf dem Markt sind und bereits eingesetzt werden – die Suche nach einem wirksamen Medikament zur Behandlung von Sars-CoV-2 gestaltet sich noch immer schwierig.
Die bislang erprobten bzw. in Erprobung befindlichen Medikamente haben sich als wenig effektiv erwiesen. Hydroxychloroquin, ursprünglich zugelassen zur Behandlung von Malaria und bestimmten Autoimmunerkrankungen, wurde zwar bei Patienten mit Covid-19 eingesetzt, hatte jedoch oft schwere Nebenwirkungen, während ein positiver Effekt immer noch mehr als fraglich ist.
Remdesivir, das die Vermehrung von Viren hemmen kann, scheiterte schon vor dem geplanten Einsatz gegen Ebola und Marburgfieber. Nachdem In-vitro-Experimente auf eine Wirksamkeit hindeuteten, wurde es bedingt zur Behandlung von Covid-19 zugelassen. Mehr als Verkürzung der Zeit zur Genesung und ein nicht signifikant nachweisbarer «Überlebensvorteil» konnten jedoch bislang nicht festgestellt werden.
In der momentanen Lage verfügt die Naturheilkunde einerseits genau so wenig über einen antiviralen Wirkstoff gegen das Coronavirus wie die Schulmedizin, andererseits hat sie einiges zu bieten. Der Rat, das Immunsystem zu stärken, auch mit Hilfe pflanzlicher Mittel; sich gut zu ernähren, sich möglichst viel an der frischen Luft zu bewegen und insgesamt einen gesunden Lebensstil zu pflegen, ist keine Banalität. Vielmehr handelt es sich um die Prinzipien, die Alfred Vogel sein Leben lang vertrat und die er immer wieder an die Menschen weitergab – mit grossem Erfolg.
Und vielleicht gelangt ja eine weitere Erkenntnis Alfred Vogels auch in Zukunft zu einem Erfolg: dass die Natur uns noch vieles zu bieten hat. Beispielsweise entsteht im Saarland gerade ein neuer Schwerpunkt am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung. Hier will man sich verstärkt der Suche nach einem Wirkstoff zur Behandlung von bereits an Covid-19 Erkrankten widmen. Einige Wissenschaftler dieses Instituts befassen sich bereits mit antiviral wirksamen Naturstoffen. Dieser Forschungsbereich soll verstärkt und ausgebaut werden.
«Es ist nie zu spät, die Natur in ihrem Heilstreben zu unterstützen, denn das Gesetz der Natur gebietet, Leben zu erhalten», davon war Vogel überzeugt.